Alltags-Yaoi, fast schon romantisch! – Manga-Review „Mann ohne Liebe“

Yo, ich habe mich mal wieder mit einem Boys-Love-Manga beschäftigt. Wobei es in diesem Fall eher um erwachsene Männer geht. Also so 20-25 vermutlich, was im Mangabereich ja fast schon alt ist. :D Im Einzelband „Mann ohne Liebe“ wird die Lovestory zwischen Seto und Sahara erzählt, einem jungen Designer und einem Mitarbeiter in einem Buchverlag. Hach ja, immerhin ist es dieses Mal kein Mangazeichner. ;)

Cover "Mann ohne Liebe"; Kano Miyamoto; Carlsen Manga

Cover „Mann ohne Liebe“; Kano Miyamoto; Carlsen Manga

Sahara – ein für mich seltsamer Name, weil ich immer an die Wüste denken musste – nun, Sahara-san ist frustriert, weil er gerade von einem Kerl sitzen gelassen wurde. Deswegen ist er der „Mann ohne Liebe“, Drama, Baby, denn er möchte sich nie wieder ernsthaft auf einen Kerl einlassen. Ob das jetzt allerdings nur für Kerle gilt, die angeblich hetero sind, aber für ihn eine Ausnahme machen oder generell für alle Kerle, hat sich mir nicht 100-prozentig erschlossen. Jedenfalls war besagter Verlasser unseres deprimierten Hauptcharakters so ein Phänomen, das eigentlich auf Frauen steht, in diesem Fall dann aber irgendwie doch nicht, Sahara dann aber wiederum für eine Frau verlassen hat, ach, das ist alles kompliziert mit diesen Beziehungen.

Auftritt Seto. Der junge fröhliche Designer ist auf Anhieb fasziniert von Sahara und schmeißt sich die ganze Zeit an ihn ran. Dabei sagt er von sich selbst, dass er eigentlich nicht schwul ist. Ein Grund für Sahara, Seto mal direkt so weit wie möglich von sich fern zu halten. Er lehnt dessen Einladungen zum Abendessen ab, ignoriert konsequent alle Avancen und sagt ihm schließlich sogar ganz direkt, dass er sich bitte von ihm fernzuhalten habe. Aber eher im Sinne von „Ich bin nichts für dich.“ als „Du bist doof.“ Naja, mittlerweile wird auch der letzte Leser kapiert haben, dass Seto keine Ruhe geben, sondern dem werten Sturkopf und Miesepeter Sahara weiter hinterher rennen wird.

Klischee oder doch nicht?

Ich finde es an sich schön, dass hier mit der Aufteilung in rein hetero- und rein homosexuell gebrochen wird – allerdings ist das trophäenjägerartige „Eigentlich ist er nicht schwul, aber man hat ihn „umkehren“ können“ doch irgendwie sehr klischeehaft. Zumindest habe ich das Gefühl, dass mir diese Idee schon häufiger begegnet ist. Nichtsdestotrotz ist das ja die Grundlage für Saharas Ablehnung, weil er speziell mit dieser Art Mann schlechte Erfahrungen gemacht hat, weswegen der Punkt „eigentlich isser ja nich schwul“ seine Berechtigung für die Story hat. Außerdem gibt es natürlich Fälle, in denen Leute, die eigentlich immer auf das andere Geschlecht standen, bei einer einzigen Person plötzlich feststellen „Woooaaah <3“ und für diese Person mehr als nur freundschaftliche Gefühle entwickeln. Nur ist es statistisch gesehen vermutlich ein wenig unwahrscheinlich, wenn das in jedem zweiten Yaoi-Manga passiert. Aber so viele kenne ich ja noch nicht, deswegen habe ich noch die Hoffnung, dass die Story nicht immer gleich abläuft … ;)

Von den Charakteren her gefiel mir Seto besser, er verkörpert den quirligen Designer, der lebensfroh durch die Gegend wandelt. Im Englischen würde ich ihn wohl „self-unconscious“ nennen (egal, ob es das Wort gibt oder nicht). Denn er ist nicht befangen und hat kein Problem mit seiner Anziehung zu Sahara, obwohl das ja eigentlich sein Selbstverständnis erschüttern könnte. Dieser Umgang mit der Tatsache „Hm, vielleicht bin ich doch schwul?“ und seine generell etwas anhängliche Art lassen ihn irgendwie niedlich erscheinen. Sahara ist dagegen mit sich selbst im Unreinen. Eigentlich will er ja einen festen Partner, aber diese Verletzungen immer, och nö. Ich lasse ihn jetzt wehleidiger darstellen als er ist, aber das war so die Zusammenfassung in meinem Unterbewusstsein. Gerade weil man von der Verletzung durch den vorherigen Partner nicht so viel mitbekommt und gar nicht erfährt, wie genau deren Geschichte ablief, konnte ich als Leser den Part der Vorgeschichte nämlich sehr schnell verdrängen.

Entspannt vor sich hin lesen :)

Das besondere im Vergleich zu den wenigen Yaoi-Mangas, die ich bisher gelesen habe, ist, wie ruhig die Geschichte erzählt wird. Bei „Crash’n’Burn“ fliegen ja erstmal die Fetzen, weil man sich prügelt. :D Bei „TEN“ handelt es sich um eine actionreiche Sci-Fi-irgendwas Story, weswegen auch schon mal jemand angeschossen wird und bei den beiden Shounen Ai Mangas „Dreizehn“ und „NO.6“ gibt es beim einen very much comedy und beim anderen ein bisschen futuristische, dystopische Action. Von dem anderen möcht ich jetzt lieber gar nicht reden. :D Hier plätschert man mit Saharas leicht depressiv wirkendem Leben so vor sich hin. Ab und zu wird es ein wenig aufregender, aber nie wirklich richtig spannend. Auch wenn die Zeichnerin das vermutlich hätte ausbauen können. Am Ende wird es selbstverständlich auch romantisch und ja, doch, eigentlich auch kitschig.

Die ruhige Erzählweise ist aber auch eine schöne Abwechslung zu den Shounen-Mangas, die ich normalerweise lese und bei denen auf jeder zweiten Seite entweder Slapstick, Action oder Brüste vorkommen. Oder alles zusammen, wenn der Mangaka ein echter Pro ist. A propos Brüste! Nein, primäre Geschlechtsorgane gibt es bei „Mann ohne Liebe“ nicht zu sehen und selbst nackte Hintern muss man suchen. ^^ Ja, ich hab’s wirklich nochmal durchgeblättert, damit ich euch nicht anlüge. xD In „Snow Tale“ sieht man ein wenig mehr, aber durch den sehr „einfachen“ Zeichenstil (der mir ja an sich gefällt, also nicht negativ verstehen) und dadurch, dass manchmal nur Teile von Szenen gezeichnet werden, würde ich auch hier nicht von mega-expliziten Darstellungen reden. Nur dass ihr wisst, dieser Manga muss nicht in der Hardcore-Abteilung stehen. :P Daher und wegen des höheren Kitschgehaltes wurde vermutlich auch keine Altersbeschränkung aufgedruckt.

Der Manga war ganz gut, aber …

Am Ende findet sich noch die ungefähr ein Viertel des Bandes einnehmende Kurzgeschichte „Snow Tale“. Die mich im ersten Moment sehr verwirrt hat, da die beiden Hauptcharaktere für mich spontan genauso aussahen, wie die des Hauptmangas. o.O Aber vermutlich liegt das daran, dass ich Mangacharaktere auf den ersten Blick immer nur nach der Frisur zuordne. ;D Sie sehen zwar nicht exakt gleich aus, aber wenn das Grundschema in jedem von Kano Miyamotos Mangas so aussehen sollte, dann wäre mir das doch etwas zu langweilig. Obwohl ich so viel gemeckert habe, fand ich den Manga eigentlich ganz nett und angenehm zu lesen. Gerade der oft nur grob schattiert wirkende Zeichenstil ließ die Bilder eher skizzenhaft anmuten und passte irgendwie zur unaufdringlich erzählten Story. Eine Leseprobe habe ich leider nicht gefunden. :(

Wer übrigens den Klappentext liest, der auch bei Amazon steht, der wird wissen, dass ich den Manga danach nicht ausgewählt hätte. Blärch, was ein romantikitschiger Kappes. :D Gelesen habe ich ihn eigentlich, weil ich eine Rezension in einem anderen Blog dazu gelesen habe und neugierig wurde. Einen zweiten Manga von Kano Miyamoto werde ich vermutlich aber nicht lesen, da mir das Genre ohne Action, Sci-Fi und drumherum dann doch nicht so liegt und ich Liebesgeschichten um der Liebesgeschichte willens einfach zu vorhersehbar finde. Meine Favoriten bleiben also bestehen. ^^ Dennoch könnten Mangaleser, die auf normale Lovestories stehen an diesem Band durchaus Spaß haben. :)

Bechdel-was?

Ach ja, ich glaube übrigens die meisten Yaoi-Manga würden den Bechdel-Test nicht bestehen. Die drei Kriterien sind erschreckend simpel und ebenso erschreckend scheitern auch die meisten Hollywood-Filme daran. „1. Kommen mindestens zwei Frauen vor, die Namen haben? 2. Unterhalten sie sich miteinander? 3. Reden sie über etwas anderes als einen Mann?“ Dieser Manga besteht jedenfalls auch nicht und zwar aus einem einfachen Grund. Es kommt nur eine einzige weibliche, namenlose und absolut nebensächliche Nebenperson darin vor. Diese darf, abgesehen von vielleicht drei angedeuteten Sätzen, die neben ihrem Kopf schweben, Seto nur fragen, ob er inzwischen eine Freundin hat. Was man sogar noch als Anmache werten könnte und damit ist dieser Manga gleich in mehreren Punkten: DÄDÄM, durchgefallen. xD Eventuell gibt es noch eine zweite, aber das will ich nicht allein an den Haaren festmachen und die darf auch nur „Was?“ sagen, glaube ich. ^^

Mögt ihr romantische Lovestories? Sind die in Mädchen-Mangas vielleicht ähnlich wie in diesem Manga? ^^ Falls ihr da zufälligerweise Experten sein solltet: Habe ich zurecht behauptet, dass dieses „Eigentlich isser hetero, aber ich schaff es ihn vom Gegenteil zu überzeugen“-Ding ein Motiv ist, das häufig auch in Mangas vorkommt? Oder war das wiederum ein Klischee, das ich persönlich mit Yaoi-Mangas in Verbindung gebracht habe? Ich habe mir ja jetzt vorgenommen, öfter mal den Bechdel-Test mit meinen Mangas zu machen und zu schauen, wie viele bestehen. ^^ Kanntet ihr den Test? Setzt ihr ihn vielleicht schon ein? Haltet ihr ihn für sinnvoll und wenn nein, warum nicht? :)

Ich habe mir übrigens überlegt, Links im Text vielleicht lieber zu fetten (wenn ich dran denke …), weil ich das Gefühl habe, dass man die im neueren Layout total schlecht erkennt. Stören euch gefettete Links eher oder denkt ihr euch gerade: „Links?! Die hat schon mal Links in ihre Texte gepackt?!?! O_o“?

Einen wunderbaren, bechdeltauglichen Mittwoch wünscht euch
eure 0utofjoint =)

4 Kommentare

  1. Haha, muss sich mich jetzt schuldig fühlen, weil ich dich dazu verleitet habe? Dabei finde ich die Mangas von Miyamoto wirklich nicht schlecht – realistischer als viele andere auf dem Markt. Aber das ist wohl wirklich Geschmackssache ;)

    Gefällt 1 Person

    1. :D Nein nein, keine Sorge. Auch wenn ich sehr viel gemeckert habe, fand ich den Manga ja nicht schlecht oder vollkommen unrealistisch. Nur hab ich halt auf Dauer vermutlich keinen Spaß an solchen Stories. Uuund ich war gerade so Bechdeltest-sensibilisiert. ^^

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  2. Das Thema Lesbe trifft auf Hete (bzw. andersrum) und verliebt sich kommt häufig in Filmen und Büchern vor. Bei Mangas muss ich passen. Ich könnte mir aber vorstellen, dass das ebenfalls ein Thema ist. Wobei es ja meist irgendwelche Tentakelmonster sind, die Frauen „lieben.“ Aber vielleicht sind die ja auch „Straight?“ :D

    Homosexualität wird in Japan weitgehend ignoriert. Es wird von der Gesellschaft erwartet, dass Frau mit Mann und Mann mit Frau. Mangas sind auch ein Ventil denke ich, um aufzuklären. Wenn wir nun davon ausgehen, dass Liebe keine Grenzen kennt, so könnten wir eine Lovestory von „Hetero trifft Gay“ verstehen. Wobei die meisten Männer sich nicht in andere Männer verlieben. Mehr als die Bewunderung für den Schauspieler X, den Rennfahrer Y wird das nie. Bei Frauen sieht das anders aus. Darüber könnte ich mehr erzählen ;-) Aber ich mag Männern nicht absprechen, dass sie einen gewissen Hang zur Romantik haben. Also ist ein „Ich bin schwul und verführe meinen hetero Kumpel-Manga“ durchaus auch legitim.

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    1. :D Tentakelmonster finden sich glücklicherweise nur selten im Standard-Buchladen. Und wenn, dann sind sie Lehrer und keine Sexmonster. ^^
      Okay, dann sehen wir das ja ähnlich. Gut, dass drüber geredet/gezeichnet wird, aber es ist sicher keine Geschichte, die andauernd passiert. :)
      Schade, dass die japanische Gesellschaft da noch sehr verschlossen zu sein scheint.

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